Genetische Besonderheiten und Erbfehler bei Fleckvieh

Kennzeichnung

2-stelliger Erbfehlercode plus 'C' für Träger (carrier), 'F' für frei (free) und 'S' für reinerbiger Träger (sure).
z.B.: DWC = Träger von Zwergwuchs, F2F = frei von FH2

Genetischer Hintergrund

Nach derzeitigem Wissensstand zeigen alle angeführten genetischen Besonderheiten und Erbfehler (außer Hornlosigkeit) einen monogen homozygot rezessiven Erbgang. Das bedeutet, dass nur ein Genort verantwortlich ist (monogen) und das spezifische Erscheinungsbild nur dann zum Vorschein kommt, wenn das Defektallel an einem Genort reinerbig (homozygot) auftritt. Das ist wiederum nur möglich, wenn das Tier die beiden Defektallele sowohl vom Vater als auch von der Mutter geerbt hat, also beide Eltern Anlageträger sind.

Mischerbige (heterozygote) Tiere zeigen selbst keinerlei Beeinträchtigungen, bei reinerbigen Trägern ist ausdrücklich ‚reinerbig‘ vermerkt!

Häufigkeit des Auftretens

Bei Anpaarung zweier Anlageträger kommt es bei einem Viertel der Kälber zum Auftreten des Erbfehlers, die Hälfte der Kälber ist Anlageträger aber gesund, ein Viertel ist frei vom Defektallel. Bei der Anpaarung eines Anlageträgers an eine Kuh, deren Vater ebenfalls Anlageträger ist, ist bei jedem 8. Kalb mit der Ausprägung des Erbfehlers zu rechnen.

In der Tabelle ist ein Überblick über das erwartete Auftreten des Erbfehlers bei reiner Zufallspaarung bzw. bei Anpaarung mit einem bekannten Träger für unterschiedliche Genfrequenzen in der Population dargestellt. Bei einem Erbfehler mit einer Genfrequenz von z.B. 3% ist bei 9 von 10.000 zufälligen Paarungen mit dem Auftreten des Erbfehlers zu rechnen, bei Anpaarung mit einem Anlageträger steigt der Wert aber auf 15 von 1.000.

Auftreten des Erbfehlers bei Zufallspaarung bzw. Anpaarung mit Träger.

GENFREQUENZ (%)

ZUFALLSPAARUNG
(Anzahl pro 10.000 Anpaarungen)

ANPAARUNG mit TRÄGER
(Anzahl pro 1000 Anpaarungen)

1 1 5
2 4 10
3 9 15
4 16 20
5 25 25
10 100 50

Arachnomelie - Spinnengliedrigkeit (AR)

Erscheinungsbild:
Betroffene reinerbige Kälber werden tot geboren oder sterben kurz nach der Geburt. Auffällig sind die dünnen Röhrenknochen, der verkrümmte Rücken und der häufig verkürzte Unterkiefer. Durch die versteiften und brüchigen Gliedmaßen kommt es neben dem Verlust des Kalbes oft auch zu Verletzungen des Geburtswegs.
Hintergrund:
Geht auf SEMPER zurück
Genfrequenz (weiblich) ca. 0,2%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
EGEL, EGOL, NAAB, NORIKER, REXON, ROMEL

Beta-Kasein

Beta-Kasein ist ein Bestandteil des Milcheiweißes, der in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden kann. Die wichtigsten sind A1 und A2, die sich in einer einzigen Aminosäure unterscheiden (A2: Prolin, A1: Histidin). Es gibt Hinweise (aber derzeit keinen wissenschaftlichen Beweis!) für gesundheitliche Vorteile der A2-Variante. Es werden nur die beiden Hauptallele A1 und A2 ausgewiesen, Suballele werden nicht veröffentlicht.
Genfrequenz A2: ca. 65%

Bovine männliche Subfertilität BMS (MS)

Erscheinungsbild:
Reinerbige männliche Tiere (KB und Natursprung) sind fast völlig unfruchtbar, bei mischerbigen und generell bei weiblichen Tieren gibt es keine Auswirkungen
Ursache:
Spermium kann nicht oder nur erschwert in die Eizelle eindringen
Hintergrund:
Geht auf HAXL zurück
Genfrequenz (weiblich) ca. 6%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
HUMID, LOTARRY, MANTON, GS MG, RALBIT, GS RAVE, REGIO, ROMARIO, ROMEN

Braunvieh-Haplotyp 2 BH2 (B2)

Erscheinungsbild:
Unterdurchschnittliches Geburtsgewicht, höhere Totgeburtenrate und deutlich erhöhter Anteil an Aufzuchtverlusten durch höhere Krankheitsanfälligkeit (z.B. Lungenentzündung), meist Verenden innerhalb der ersten 50. Lebenstage
Hintergrund:
Ursprung nicht bekannt, ursprünglich beim Braunvieh entdeckt
Genfrequenz (weiblich) ca. 0,6%
Beispiele von Anlageträgern:
EGOL, ENDO, ENGADIN, ENRICO, ETTAL, HODSCHA, MUNGO Pp, PASSION, RAUFBOLD, VORUM

Fleckvieh-Haplotyp 4 FH4 (F4)

Erscheinungsbild:
Embryonaler Frühtod in ersten Wochen, meist Umrindern nach 21 Tagen, daher verringerte Non-Return-Rate, Befruchtungswert von Träger-Stieren ist im Schnitt um 0,35% niedriger.
Hintergrund:
Ursprung nicht bekannt
Genfrequenz (weiblich) ca. 3%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
DIDIMUS, EGOL, ENGADIN, ENRICO, GS VABENE, HAXZEUS, HORRAMOR, HORWART, HUTERA, HUTMANN, HUTOED, IDIOM, PASSION, SERANO, STRELLAS, VANADIN, VANSTEIN, VINZENZ, ZASPIN

Fleckvieh-Haplotyp 5 FH5 (F5)

Erscheinungsbild:
Kälber verenden innerhalb von Stunden bzw. wenigen Tagen nach der Geburt an Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und schweren Leberschäden.
Hintergrund:
Geht vermutlich auf HALF zurück
Genfrequenz (weiblich) ca. 2,5%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
GS MALF, GS RAU, GS RAVE, GS RÖMER, MERCATOR, RAFFZAHN, RALBIT, RALDI, RATGEBER, RAUFBOLD, REUMUT, ROIBOS

Hornlosigkeit (P)

Erscheinungsbild:
Hörner fehlend bzw. als Wackelhorn ausgeprägt
Hintergrund:
Für die Ausprägung der Hornlosigkeit sind neben dem Horn-Genort H (der bei heimischen Rassen immer reinerbig vorliegt) zwei weitere Genorte verantwortlich:
  - Genort P (P = polled = hornlos): P ist dominant über H, daher keine Ausprägung von normalen Hörnern (aber Wackelhorn möglich)
  - Genort S (S = scurs = Wackelhörner): Tiere mit Wackelhörnern sind immer Pp, PP-Tiere sind hornlos und zeigen keine Wackelhörner.
PP = homozygot (reinerbig) hornlos (bzw. PP* für Gentestergebnis)
Pp = heterozygot (mischerbig) hornlos (bzw. Pp* für Gentestergebnis)
P = phänotypisch hornlos, aber Genotyp noch nicht bekannt
PS = Wackelhorn-Ausprägung
P*S = genetisch heterozygot hornlos (Pp*) mit Wackelhorn-Ausprägung
Bei Anpaarung eines PP-Stieres an eine behornte Kuh (pp) sind alle Nachkommen Pp, also hornlos. Werden zwei Pp-Tiere gepaart, ist ein Viertel PP (hornlos), die Hälfte Pp (hornlos) und ein Viertel pp (behornt) zu erwarten. Wird ein Pp-Stier an eine pp-Kuh angepaart, ist die Hälfte der Nachkommen hornlos (Pp) und die andere Hälfte behornt (pp).
Ein Gentest für den P-Genort ist möglich.
Beispiele von Hornlos-Stieren:
PP: INCREDIBLE, MEDICUS, RALLY, REINERBIG, SENSATION, VALC
Pp: GS POLLED, MAHANGO, MUNGO, ROTTMOOS, VON WELT, WELTALL
PS: IROLA, RALMESBACH, ROSSKUR, SANDRO, VALERO, WITAM

Kappa-Kasein

Kappa-Kasein ist ein Bestandteil des Milcheiweißes, der überwiegend in den Varianten A und B auftritt. Die Kappa-Kasein-Variante B zeigt eine bessere Ausbeute bei der Käsegewinnung.
Genfrequenz B: ca. 25%

Minderwuchs FH2 (F2)

Erscheinungsbild:
Reinerbige Träger zeigen meist weitgehend normales Geburtsgewicht, massives Zurückbleiben im Wachstum, bei männlichen Tieren meist schmale ‚weibliche‘ Kopfform
Ursache:
Störung im Zuckerstoffwechsel (Fanconi-Bickel-Syndrom)
Hintergrund:
Ursprung nicht bekannt
Genfrequenz (weiblich) ca. 2,5%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
MADERA, GS MALF, MANDL, MERTIN, GS RUMGO, WALDBRAND, WINNIPEG, WITZBOLD

Thrombopathie - Bluterkrankheit (TP)

Erscheinungsbild:
Reinerbige Tiere zeigen normales Allgemeinbefinden, leiden aber nach Verletzungen, Injektionen oder chirurgischen Eingriffen an anhaltenden Blutungen der Haut, der Nase und Schleimhäute durch massiv beeinträchtigte Blutgerinnung
Kann bis zum Tod führen
Ursache:
Massive Störung der Blutgerinnung
Hintergrund:
Geht auf RADI und RENNER (aber nicht auf REDAD) zurück
Genfrequenz (weiblich) ca. 3%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
RALBO, RANDY, RENGER, REPORT, RESOLUT, ROUND UP, RUMBA, GS RUMGO, GS VANDOR, VANSTEIN

Zinkdefizienz-like Syndrom ZDL (ZL)

Erscheinungsbild:
Reinerbige Kälber werden gesund geboren, wiederkehrende Durchfall- und Atemwegserkrankungen, im Alter von ca. 6 bis 12 Wochen entzündliche Hautveränderungen (ähnlich wie bei Zinkmangel), führt zum Tod
Hintergrund:
Geht vermutlich auf STREITL (bzw. dessen MV HARTL) zurück
Genfrequenz (weiblich) ca. 0,3%
Gentest möglich, Haplotypentest nur bei freien Tieren zuverlässig, bei Trägern sehr unsicher
Beispiele von Anlageträgern:
FIDELIS, HERICH, MATREI, STREITL, STROVANNA

Zwergwuchs (DW)

Erscheinungsbild:
Geburtsgewicht meist nur zwischen 15 und 20 kg, langsames Wachstum, typische spitze Kopfform mit gerader Nasenlinie, häufig Unterkieferverkürzung
Hintergrund:
Geht auf POLZER zurück
Genfrequenz (weiblich) ca. 0,8%
Gentest möglich
Beispiele von Anlageträgern:
LAVENT, MAURER, PASTA, RASPUTIN, WILLE