| Lukas Kalcher

„Rinder-Tinder“: Wie Kühe perfekte Partner finden

Georg Mayr-Steffeldemel jun. ist Landwirt. Auf dem seit mehreren Generationen geführten Hof im oberösterreichischen Asing, Schardenberg, gibt's 70 Milchkühe sowie 50 Kalbinnen und Kälber

Rinderzucht Austria

„Ich kenne jede einzelne Kuh beim Namen, kenne ihre Eigenheiten“, sagt Mayr-Steffeldemel. Es ist mehr als eine Zweckgemeinschaft. Geht's den Kühen gut, geht's allen gut.

Aber: „Ohne digitale Anwendungen behält man schwer den Überblick.“ Wann hat eine bestimmte Kuh ihre Kalbung? Wann steht die nächste Klauenpflege an? Welche Erkrankung hatte sie zuletzt? Die richtigen Antworten darauf sind wichtig, um die Kuh optimal betreuen zu können - und um einen perfekten Paarungspartner für sie zu finden.

Massiver Austausch

Hier kommt OptiBull ins Spiel. Der sogenannte Anpaarungsplaner ermöglicht es Landwirten, die Mitglied eines Zuchtverbandes sind, Anpaarungsvorschläge von Stieren für ihre Kühe zu erstellen. „Das Programm ist frei zugänglich, wird in gleicher Form auch in Bayern verwendet, es findet ein massiver Austausch mit Deutschland statt“, erklärt Christian Fürst, in der Zuchtwertschätzung bei Rinderzucht Austria aktiv.

Auch Georg Mayr-Steffeldemel nutzt die Anwendung seit vier Jahren. Wie die Kontrollorgane der Zuchtverbände, speist auch er Daten seiner Kühe in eine riesige Datenbank von rund 300.000 Kühen sowie Abertausenden Bullen ein. Von den Dachverbänden der gelisteten Rassen Fleckvieh, Brown Swiss, Holstein, Red Holstein, Pinzgauer und Grauvieh werden jeweils die Zuchtwerte für rund 50 verschiedene Merkmale rund um Gesundheit, Fitness, Milchleistung, Euterbeschaffenheit usw. bereitgestellt.

„Ist meine Kuh etwa verhältnismäßig zu groß, also die sogenannte Kreuzhöhe zu hoch, und sollen ihre Nachkommen kleiner werden, spuckt mir das Programm Stiere aus, durch die das mit großer Wahrscheinlichkeit gewährleistet wird“, erklärt der Landwirt. „Oder ein anderes Beispiel: Liefert eine Kuh zwar viel Milch, aber sind darin zu wenige Inhaltsstoffe wie eine zu geringe Prozentzahl an Fett enthalten, wird eine Paarung gewählt, die sich positiv auf den Fettgehalt auswirkt.“

 

Rinderzucht Austria

„Es braucht Kompromisse“

Je nach eingegebenen Daten und Gewichtung, listet OptiBull auf Basis von Gesamtzuchtwerten eine Top-Auswahl von fünf oder mehr Bullen auf, aus denen sich der Landwirt dann den seiner Meinung nach für seine Kuh perfekten Samenspender aussuchen kann. „Die perfekte Anpassung an sich ist freilich nie möglich“, betont Fürst, „man muss immer Kompromisse eingehen.“

Oft wird dann - in Abstimmung mit Anpaarungs- bzw. Zuchtberatern der Zuchtverbände - jener Stier gewählt, der vielleicht nur an zweiter, dritter oder vierter Stelle des Rankings lag. Zumal immer mehr Landwirte wie Mayr-Steffeldemel zuallererst in Richtung „Pro Gesundheit und Fitness“ der Rinder zielen. „Was hilft mir eine Kuh, die zwei Jahre lang überdurchschnittlich viel Milch produziert, dann aber krank wird oder andere Probleme hat?“

Bei OptiBull können verschiedenste Eigenschaften der Kuh angegeben bzw. nach gewünschten Parametern des Stiers gefiltert werden.

OptiBull nimmt darauf Rücksicht, rechnet auch Daten zu allfälligen genetischen Besonderheiten und Erbfehlern der Tiere mit ein. „Mit dem Programm wird jedenfalls eine Inzuchtpaarung verhindert, zumal wir die volle Abstimmung von Rindern bis in die 50er-Jahre haben“, sagt Fürst über die 2012 gestartete Anwendung, die pro Monat aktiv von rund 1500 Betrieben genutzt wird und heuer bereits 15.000 Betriebe mit automatisierten Daten und Informationen versorgte.

Wie oft Stiersamen für Kühe angeschafft werden, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Fakt ist, dass üblicherweise jede Kuh ein Kalb im Jahr bekommt, freilich „fruchtet“ die Besamung nicht immer beim ersten Mal. Rund 15 Euro kostet eine Stiersamen-Portion, „40 bis 50, wenn es sich um die Überdrüber-Zuchtstars handelt“, zwinkert Fürst. Dazu kommen 15 Euro Besamungsgebühr, wenn nicht der Bauer selbst, sondern ein externer Fachmann diese durchführt.

Technik macht's menschlich

Natürlich werden Landwirtschaftsbetriebe inzwischen in noch viel größerem Ausmaß von der Technik begleitet als „nur“ durch OptiBull. Abgesehen von Onlineversteigerungs-Apps wie „Kuh4You“ oder digitaler Unterstützung in Versteigerungshallen, gibt's vollautomatisierte Melkroboter, smarte Fütterungssysteme, GPS-Tracking, intelligente Sensoren zur (Gesundheits-)Überwachung der Tiere und vieles mehr. „Wir verwenden Herdenmanagement-Programme, eine Leistungsüberprüfung und die automatisierte Einstreuung, sind aber noch nicht übermäßig hochtechnisiert“, erklärt Mayr-Steffeldemel.

Dass die Technik jedoch - entgegen dem ersten Impuls - dafür sorgen kann, dass es auf Höfen „menschlicher“ zugeht, bestätigt er sofort. Immerhin erzählt auch Zuchtwertexperte Fürst, der selbst von einem Bauernhof stammt, vom übernommenen Betrieb seines Neffen: „Seit die Melkroboter angeschafft wurden, werden die Tiere öfter als ursprünglich zweimal täglich gemolken, nämlich alle sechs Stunden. Was näher an der Natur dran ist, weil Kälber auch öfter am Tag Milch trinken, womit die Mutterkühe an den Eutern weniger Milchdruck verspüren. Und weil die Roboter meinem Neffen Arbeit abnehmen, hat er nun mehr Zeit für jede einzelne Kuh.“

Quelle: Kronenzeitung/Peter Wiesmeyer

 

Weblink: https://www.krone.at/3048211

 

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