| Lukas Kalcher

Welche Maßnahmen setzt die Rinderzucht AUSTRIA im Bereich der Nachhaltigkeit und Umweltwirkung?

Die Wertschöpfungskette Milch ist von vielfältigen Herausforderungen betroffen. Dazu gehören der Klimawandel, der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen, nationale und internationale Verflechtungen in globalisierten Lieferketten sowie die gesellschaftlichen Forderungen nach höheren Tierschutzstandards, geringen Umweltwirkungen und preisgünstigen Produkten.

Fürst et al.
Schematische Entwicklung der Zuchtwertschätzungen bzw. ab 1998 des Gesamtzuchtwerts beim Fleckvieh in Österreich (ab 2010 ZWS für Gesundheitsmerkmale, die seit 2013 über FRW und EGW in den GZW eingehen, Fürst et al., 2022) ND=Nutzungsdauer, PER=Persistenz

Wesentlich für die Resilienz und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Sektors ist eine weitere Verbesserung der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit inkludiert eine effiziente Nutzung von Ressourcen bei geringen Umweltwirkungen. Die ökonomische Nachhaltigkeit sprich die Wirtschaftlichkeit ist ebenso wesentlicher Bestandteil wie auch die soziale Nachhaltigkeit mit entsprechenden Rahmenbedingungen für Mensch und Tier.

Klimawandel und Umweltwirkungen - Wo steht die Landwirtschaft in Österreich?

Der Klimawandel wirkt sich bereits jetzt auf die Rinderhaltung aus zB sei es durch Auswirkungen auf die Leistung und das Tierwohl durch Hitzestress oder durch verringerte und wechselnde Futtergrundlagen. Wenn es nicht gelingt, die erforderlichen Emissionssenkungen zu erreichen, wird erwartet, dass die durchschnittlichen Temperaturen in Österreich bis zum Jahr 2100 um 5°C ansteigen werden (ZAMG, 2021). In Österreich sind diese, mit einem Anstieg von 2°C, bereits stärker gestiegen als in anderen Ländern weltweit. Über verschiedene politische Maßnahmen (EU Green Deal, Farm to Fork Strategie, Pariser Klimaziele, ...) soll in der EU bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden. Bis 2030 sollen die Emissionen gegenüber von 1990 um 55% reduziert werden.

In Österreich war der Agrarsektor im Jahr 2020 für etwa 10,8 % der direkten Treibhausgasemissionen (CO2-eq) verantwortlich, was einem Rückgang um 16,3 % seit 1990 entspricht (Umweltbundesamt, 2022; https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0816.pdf). Etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen CO2-eq kann dem Verdauungsprozess von Wiederkäuern zugeschrieben werden (UBA, 2023).

Umweltbundesamt
Anteil der Sektoren an den Treibhausgas-Emissionen 2020 (inklusive Emissionshandel) und Änderung der Emissionen zwischen 1990 und 2020 (Umweltbundesamt, 2022)

Wo steht die Rinderwirtschaft? Was macht die Rinderzucht AUSTRIA?

Für den gesamten Rindersektor (Milchkühe und alle anderen Rinder) ist der CO2-eq in Österreich seit 1990 um etwa 15 % gesunken (Hörtenhuber et al., 2022). Durch Fortschritte in der Genetik und ein verbessertes Betriebsmanagement konnte die Lebensleistung der österreichischen Milchkühe in den letzten 10 Jahren um etwa 10.000 kg gesteigert werden, mit einer Verdoppelung zwischen 1980 und 2020 (Fürst et al., 2022). Die Verringerung des Milchviehbestands und die Steigerung der Effizienz haben in den letzten 30 Jahren zu einer Verringerung der CO2-eq um etwa 40 % pro kg erzeugtem Rohprotein beigetragen (Hörtenhuber et al., 2023). Die österreichische Milcherzeugung zählt zu den klimafreundlichsten weltweit (Leip et al. 2010). Die GVO-freie Erzeugung und der hohe Anteil an hofeigenen Futtermitteln sind wichtige Beiträge dazu.

Nachhaltige Zuchtziele seit 25 Jahren

Im Bereich der Genetik wurden die Zuchtziele von der alleinigen Selektion auf Milchleistung seit 1995 auf nachhaltige Zuchtziele erweitert (siehe Abbildung 2). Die Zuchtwertschätzung für Nutzungsdauer wurde vor fast 30 Jahren eingeführt, der ökonomischen Gesamtzuchtwert im Jahre 1998. Seit damals wurde das Zuchtziel kontinuierlich um weitere für Effizienz, Tiergesundheit und Wirtschaftlichkeit wesentliche Merkmale erweitert. Dadurch ist es gelungen, die Milchleistung kontinuierlich zu verbessern, aber auch die Fleischleistung und die Gesundheit zu stabilisieren bzw. sogar leicht zu verbessern. Züchterische Verbesserungen von Zielmerkmalen wie zB der Tiergesundheit sind nur möglich, wenn auch entsprechende Daten (Phänotypen) vorliegen. Die Erhebung der tierärztlichen Diagnosen (Gesundheitsmonitoring Rind (GMON)) seit 2006 oder die Erhebung der Klauenbefunde (Klauen-Q-Wohl) sind Voraussetzungen dazu.

Rinderzucht AUSTRIA am Puls der Zeit

Die Rinderzucht AUSTRIA ist bei der Forschung am Puls der Zeit und arbeitet an den bestmöglichen Methoden in der Zuchtwertschätzung und bei den Zuchtprogrammen, um den Zuchtfortschritt und den wirtschaftlichen Erfolg für die Betriebe zu verbessern. Der Aufbau einer genomischen Zuchtwertschätzung mit Einführung 2011 und der Single-Step-ZWS 2021 mit Herdentypisierung (Projekte FoKUHs, FoKUHs Herde) waren und sind wesentliche Maßnahmen, um die Nachhaltigkeit der Rinderwirtschaft zu steigern und indirekt auch die Umweltwirkung zur reduzieren. Werkzeuge zur Optimierung der Anpaarung (OptiBull) sind wertvolle Hilfestellungen bei der Umsetzung. Die Projekte Klauen-Q-Wohl, D4Dairy und FoKUHs legten wertvolle Grundlagen für die züchterische Verbesserung der Tiergesundheit mit Fokus auf Klauengesundheit und Stoffwechsel. Das inkludiert die Analyse der Klauenpflegedaten, KetoMIR und anderen MIR-Schätzer für die züchterische Nutzung als auch Forschung an Sensordaten für die Vorhersage von Gesundheitsstörungen. Aktuell wird an der Entwicklung der Routine-Zuchtwertschätzung für Klauengesundheit gearbeitet.

Herdenmanagement und Nachhaltigkeit

Der wirtschaftliche und nachhaltige Erfolg wird auch wesentlich vom Herdenmanagement beeinflusst. Ansatzpunkte sind Verbesserungen der Effizienz durch weniger Ausfälle und Tiergesundheitsstörungen als auch bessere Leistungen, verbesserte Nutzung der Ressourcen in der Fütterung sowie generell das Betriebsmanagement.

Die Rinderzucht AUSTRIA unterstützt die Betriebe durch verschiedene Weiterentwicklungen und Dienstleistungen. Die Milchleistungsprüfung wurde und wird kontinuierlich um viele weitere Services für die Optimierung des Herdenmanagements erweitert (LKV-Herdenmanager, LKV-Mobil-App, Klauenprofi, KetoMIR, Futterrationsprogramm, Effizienz-Check, ...). Die Chancen der Digitalisierung, laufende Erweiterungen der Datenvernetzungen (zB Automatische Melksysteme, Sensoren, Labore, ...) und die Generierung von Mehrwert aus der Zusammenführung der Daten sind weitere Hilfestellungen. Verschiedene nationale und internationale Projekte und Initiativen wie zB D4Dairy, leisten einen wertvollen Beitrag, damit die Vorteile der neuen Technologien bestmöglich genutzt werden können.

All diese laufenden Weiterentwicklungen konnten bereits einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung, Nachhaltigkeit und Resilienz der Rinderwirtschaft leisten. Im Rahmen des Projektes Efficient Cow wurden von Hörtenhuber und Zollitsch (2016) die Einsparungsmöglichkeiten durch Selektion auf höhere Effizienz bei österreichischen Milchviehbetrieben in Bezug auf Treibhausgasemissionen und andere Umweltwirkungen analysiert. Mit Hilfe einer Lebenszyklusanalyse wurden verschiedene Produktionssysteme in Österreich hinsichtlich ihrer Minderungspotentiale untersucht. Das Einsparungspotential liegt bei 5-10% im Vergleich zum Durchschnittsbetrieb.

Aktuelle Forschungsthemen der Rinderzucht AUSTRIA

Die Verbesserung von Tiergesundheit und Tierwohl bei Nutzung der neuen Technologien (Genomik, MIR, Sensoren, ...) für Zucht und Herdenmanagement ist auch weiterhin Forschungsschwerpunkt, der in Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern in der gemeinsamen Zuchtwertschätzung und auch bei der Datenverarbeitung im Rinderdatenverbund weiter vorangetrieben wird.

Weitere Zukunftsthemen im Bereich der Genetik sind die Futtereffizienz und Methan-Emissionen. Verschiedene internationale Mitbewerber bieten dazu bereits Zuchtwerte für diese Merkmalskomplexe an. Für weltweit gesehen „kleine“ Populationen wie Fleckvieh oder Brown Swiss ist die Finanzierung dieser doch kostenintensiv zu erhebenden Merkmalen schwierig. In verschiedenen Projekten der Partner in der Zuchtwertschätzung (Efficient Cow, Effizienz-Check, Fleckfficient, RemissionDairy, eMissionCow, ...) wurden Grundlagen für Zuchtwertschätzungen in diesem Bereich geschaffen.

In Österreich wird unter Leitung der Rinderzucht AUSTRIA gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur, der HBLFA Raumberg-Gumpenstein und der ZuchtData im neuen Projekt Breed4Green an indirekten Merkmalen für die züchterische Verbesserung der Futtereffizienz und Umweltwirkungen geforscht. Bevor Merkmale wie Methan-Emissionen in der Zucht berücksichtigt werden können, ist es notwendig für die jeweiligen Rassen abzuklären, wie diese Merkmale mit anderen Merkmalen (Gesundheit, Leistung, ..) zusammenhängen. Dazu ist vorgesehen, dass mit einem sogenannten GreenFeed-System Methan-Emissionen gemessen werden und die genetischen Zusammenhänge von Methan-Emissionen mit anderen Merkmalen im Gesamtzuchtwert analysiert werden. Nachhaltigkeit ist nicht nur Reduktion der Umweltwirkung, sondern auch die Verbesserung der Ressourceneffizienz und der Ökonomie. Daher ist ein wesentliches Ziel des Projektes Breed4Green auch die züchterische Verbesserung der Futtereffizienz.

NEU.rind - Werkzeug für die Nachhaltigkeitsbewertung

Die Erreichung der Umweltziele, aber auch die Anforderungen der Gesellschaft / Konsumenten verlangen nach entsprechenden Maßnahmen. Der Fokus auf Umweltwirkung und Nachhaltigkeit wird immer stärker. Für das Vertrauen und die Wertschätzung der Konsumenten wird Transparenz auch im Bereich der Umweltwirkung immer wichtiger. Kennzeichen wie der NUTRI-Score oder ECO-Score sind international bereits auf immer mehr Lebensmittelverpackungen zu finden. In einigen Ländern sind Nachweise von Umweltwirkungen bei der Milcherzeugung bereits Bestandteil des Milchpreises. Fakten und Zahlen zur Umweltwirkung der heimischen Milch- und Fleischproduktion werden auch immer wichtiger für die gesellschaftliche Diskussion. Die Rinderwirtschaft arbeitet an der Reduktion der Umweltwirkungen, aber auch an der weiteren Verbesserung der vielfältigen Öko-Systemleistungen, die erbracht werden.

Im EIP-Projekt NEU.rind soll ein einfaches und praktikables Werkzeug – ein digitaler Betriebshelfer – zur Bewertung von Ökobilanzen und Ökoeffizienz (Treibhausgase, Ernährungssicherheit, Biodiversität, Versauerungspotential etc.) entwickelt werden. NEU steht für Nachhaltigkeit, Effizienz und Umweltwirkung. Analysiert und ausgewertet werden dabei Kennzahlen wie Treibhausgas-, Ammoniak- oder Nitrat-Emissionen, Lebensmittel-Konversionseffizienz, Erhalt der Naturvielfalt und weitere. Diese werden je kg Milch, je Hektar genutztes Land und je € Deckungsbeitrag berechnet.

Dieses Werkzeug soll einer großen Zahl an milchproduzierenden Betrieben zur Verfügung stehen. Durch die Bereitstellung diverser Kennzahlen und konkreter einzelbetrieblicher Handlungsempfehlungen, können Prozesse optimiert und damit z.B. Emissionen und der Bedarf an nicht erneuerbaren Ressourcen reduziert werden. Es sollen außerdem Zahlen und Fakten für die gesellschaftliche Diskussion geschaffen werden. Beides soll dazu führen, der österreichischen Milch einen Mehrwert und ein Alleinstellungsmerkmal zu geben, wovon im Idealfall auch die Vermarktung und somit die gesamte Branche profitiert. Das übergeordnete Ziel ist die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der österreichischen Milch- und Rinderwirtschaft.

Zusammenfassung

Die Verbesserung der Nachhaltigkeit (Ökologie – Ökonomie – Soziales) ist bereits seit vielen Jahren ein großer Arbeitsschwerpunkt der Rinderzucht AUSTRIA. Züchten ist Verantwortung für Generationen. Die Ausrichtung auf nachhaltige Zuchtziele hat bereits vor mehr als 25 Jahren mit der Einführung der Zuchtwertschätzung für Nutzungsdauer und des Gesamtzuchtwerts begonnen. Dieser wurde bei Nutzung der technologischen Fortschritte kontinuierlich weiterentwickelt. Wie die Zuchtfortschritte zeigen, wurde bereits viel erreicht. Die aktuellen Weiterentwicklungen konzentrieren sich noch stärker auf den effizienten Einsatz der Ressourcen, Stärkung der Kreislaufwirtschaft und die Reduktion der Umweltwirkungen. Das Herdentypisierungsprogramm FoKUHs Herde zielt auf eine weitere Verbesserung der Tiergesundheit ab. Mit dem Projekt NEU.rind wird ein Werkzeug entwickelt, das jeden Milchviehbetrieb in Österreich bei der Bewertung und gezielten Verbesserung der Nachhaltigkeit unterstützen soll. Im Projekt Breed4Green wird an züchterischen Verbesserungen der Futtereffizienz und Reduktion der Methan-Emissionen unter Nutzung von Hochtechnologie gearbeitet. Diese Maßnahmen werden einen wertvollen Beitrag leisten, um die Wettbewerbsfähigkeit sowie das Vertrauen und die Wertschätzung der Konsumenten in die heimische Produktion weiter zu stärken. Wesentlich dafür ist jedoch auch die Kommunikation der erzielten Ergebnisse.  

Autorin: Dr. Christa Egger-Danner

 

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