| Lukas Kalcher

RINDERZUCHT AUSTRIA Seminar zum Thema Digitalisierung – Herausforderungen und Lösungen

Am 9. März fand im Heffterhof in Salzburg das RINDERZUCHT AUSTRIA Seminar 2023 statt. Daten vernetzen, Daten analysieren und auch Daten schaffen in der Rinderwirtschaft – das stand im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung.

ZuchtData/Steininger
Die Referent:innen und Diskussionsteilnehmer:innen des diesjährigen RINDERZUCHT AUSTRIA-Seminars 2023.

Der Abschluss des Forschungsprojektes D4Dairy wurde zum Anlass genommen, dieses Jahr den Fokus des RINDERZUCHT AUSTRIA-Seminars auf das Thema Digitalisierung zu legen. Melkroboter, Fütterungsroboter, Pansensensoren etc. machen die Arbeit am landwirtschaftlichen Betrieb an vielen Stellen leichter und flexibler. Nebenbei erzeugen sie auch jede Menge Daten. So viele, dass man von „Big Data“ sprechen kann. Welchen Nutzen Landwirt:innen daraus ziehen können und welche Schwierigkeiten eine Datenvernetzung und -analyse mit sich bringen, wurde am Seminar von Expert:innen und Partner:innen aus den verschiedensten Produktions-, Verarbeitungs- und Landtechnikfirmen diskutiert.  Nutzen aus diesen Daten entsteht erst, wenn Sie entsprechend kombiniert und ausgetauscht werden. Der Obmann der RINDERZUCHT AUSTRIA, Ing. Sebastian Auernig konnte zahlreiche Vertreter:innen der Rinderwirtschaft aus Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz begrüßen. Unter den Teilnehmer:innen waren praktische Landwirt:innen, Tierärzt:innen, Wissenschaftler:innen, Mitarbeiter:innen der Zucht- und Leistungsprüfung als auch der Beratung, Vertreter:innen der Firmenpartner als auch weitere Interessierte. Dr. Christa Egger-Danner, Konsortialleiterin des Projekts D4Dairy, gab einen kurzen Überblick über die Forschungsinhalte und den Stand der Umsetzung der Forschungsergebnisse aus den vergangen vier D4Dairy-Jahren. So hat bereits vor 15 Jahren hat die RINDERZUCHT AUSTRIA über das Projekt Gesundheitsmonitoring Rind begonnen, Diagnoseschlüssel zu vereinheitlichen und so die Basis für eine zentrale Datenverarbeitung zu schaffen. Das Ziel des diesjährigen RINDERZUCHT AUSTRIA-Seminars war es, Herausforderungen aufzuzeigen und bereits möglichst konkrete Lösungen vorzustellen.

Daten müssen in Bauernhand bleiben

GF Ing. Martin Mayerhofer von der ZuchtData zeigte anhand der Geschichte der zentralen Rinderdatenverarbeitung, die ihren Anfang bereits 1960 nahm, welche enormen Fortschritte in der Datenintegration und -vernetzung gemacht wurden. Die Anfänge der elektronischen Datenerfassung begannen mit dem Einsatz gestanzter Lochkarten Anfang der 1960er Jahre mit der elektronischen Datenverarbeitung der Laktationsleistungen. Es folgte die maschinelle Einlesung von mit Bleistift auf Formblättern beschrifteten Klarschriftbelegen (1971). Damit war die Rinderzucht für damalige Verhältnisse im Vergleich zu anderen Bereichen schon sehr fortschrittlich. Das „berühmte Jahr“ 2000 brachte erhebliche Schwierigkeiten in der Umstellung auf den gemeinsamen Rinderdatenverbund RDV. Damit wurde trotz aller damaligen Herausforderungen die wesentliche Grundlage für die heutige Digitalisierung geschaffen. Im RDV sind alle Daten von der Leistungsprüfung, Herdebuchführung, Besamung und Zuchtwertschätzung in einem System gebündelt. Um Synergien zu nützen, sind länderübergreifend 54.000 Betriebe mit 2 Mio. Milchkühen gespeichert. Damit ist der RDV die größte Datenvereinigung in Europa. Aktuell sind mehr als 50 Schnittstellen zu verschiedenen externen Berufsgruppen oder auch Anlagen im Betrieb. Das inkludiert Schnittstellen zu Laboren, Tierärzt:innen, Klauenpfleger:innen, Schlachtdaten der Österreichischen Fleischkontrolle (ÖFK) bis hin zu den jüngsten Schnittstellen zu Automatischen Melksystemen (AMS) und Sensorfirmen. Wesentlich dazu sind die Echtzeitanwendungen für die Mitarbeiter:innen der Zucht- und Leistungsprüfungsorganisationen als auch die Landwirt:innen. Die nationale und internationale Zusammenarbeit über die RDV GmbH oder auch iDDEN (International Dairy Data Exchange Network) sind wesentliche Meilensteine in diesem Bereich. Ein wesentliches Ziel der RINDERZUCHT AUSTRIA ist es, die Rinderzucht in Bauernhand abzusichern. Ein wichtiger Baustein dazu ist, dass auch die Daten in Bauernhand sind. Das wird durch die zentrale Datenverarbeitung im Rinderdatenverbund (RDV) gewährleistet.

Digitale Hiflsmittel für die Praxis

Ing. Franz Josef Auer, MSc, Geschäftsführer LKV Austria, stellte die neuesten Entwicklungen und Weiterentwicklungen seitens der Landeskontrollverbände vor sowie die Schwierigkeit, praxisnahe Wunschlösungen auf eine EDV-technische Basis zu heben und den Landwirt:innen somit praktische Hilfsprogramme zur Verfügung zu stellen. DI Lisa Pickl von Lely und DI Franz Steiniger von der ZuchtData gaben einen Einblick, was bei einer Schnittstelle zwischen Lely und RDV alles zu bedenken ist und funktionieren muss, um einen reibungslosen Datenaustausch zu ermöglichen. Im Rahmen von D4Dairy wurde auch die Schnittstelle zwischen Futtermittellabor Rosenau und dem RDV-Rationsberechnungsprogramm umgesetzt. Eine Standardisierung der Analysenergebnisse bzw. Auswahllisten von verschiedenen Futtermitteln sind ein wesentlicher Baustein. DI Gerald Stögmüller gab auch einen Ausblick auf weitere sinnvolle Datenvernetzungen im Fütterungsbereich.

Die Landwirt:innen erwarten bei der Anschaffung von Melkrobotern, Sensoren und Fütterungssystemen eine Arbeitsersparnis, aber auch eine Unterstützung beim Management als auch die Wirtschaftlichkeit der Investition. Dr. Marco Horn von der LK Niederösterreich referierte über Erfolgsfaktoren bei der Umstellung auf AMS. Seine Ausführungen reichten von den persönlichen Voraussetzungen, über bauliche bis zuökonomischen Aspekten, bei denen Auslastung aber auch Leistung und Tiergesundheit eine wichtige Rolle spielen.

BigData zur Vorhersage von Risiken

Prof. Dr. Klimek, Wissenschaftler des Jahres 2021 und neu bestellter Direktor des Instituts für Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) arbeitete mit seinem Team im Rahmen von D4Dairy an der Nutzung von verschiedenen Informationsquellen zur Vorhersage von Erkrankungsrisiken (BigData und Tiergesundheit). BigData wurde definiert als eine Vielzahl von Informationen zum Tier aus Genetik, Abstammung, Umwelt, aber auch den tierindividuellen Informationen, die mit zunehmenden technologischen Möglichkeiten immer mehr werden. Caspar Matzhold, MSc von der ZuchtData zeigte erste erfolgversprechende Ergebnisse aus D4Dairy und berichtete über den aktuellen Stand der Praxisumsetzungsarbeiten in diesem Bereich. Beide zeigten die Möglichkeiten aber auch die Grenzen in diesem Bereich auf.

Im Block „Digitale Tools“ stellte Dr. Lisa Rienesl die Ergebnisse zur Nutzung von Mid-Infra-Rot-Spektren als Hilfsmerkmal für die Eutergesundheit vor. Dr. Laura Dale und DI Andreas Werner vom LKV Baden-Württemberg präsentierten die neuen Berichte zur Fütterungsoptimierung mit MIR-Spektren zur Energiebilanz. Zur Reduktion es Einsatzes von Antibiotika und der Verringerung von Resistenzen wurde im Projekt D4Dairy das Antibiogramm harmonisiert und Schnittstellen zu den Laboren entwickelt. Dr. Walter Obritzhauser erläuterte die neuesten Ergebnisse aus einem Pilotversuch in D4Dairy zur datengetriebenen Empfehlung zum Trockenstellen. Es konnte gezeigt werden, dass bei Berücksichtigung von betriebs- und tierspezifischen Informationen der Antibiotikaeinsatz beim Trockenstellen reduziert werden kann, ohne die Eutergesundheit zu verschlechtern.

Prof. Dr. Kofler zeigte den Zusammenhang von Lahmheitsgraden und Wiederkauen, Fressen und verschiedenen Aktivitätsparametern. Des Weiteren wurde das Benchmarking zur Klauengesundheit und Lahmheit, dass teilweise auch bereits im LKV-Herdenmanager umgesetzt wurde, vorgestellt. Damit kann der Betrieb seine Gesundheitssituation im Vergleich mit anderen Betrieben analysieren und Verbesserungspotentiale abschätzen.

Wesentliche Forschungsfragen waren die Nutzung von direkten und indirekten Merkmalen zur züchterischen Verbesserung der Klauen- und Stoffwechselgesundheit. Dr. Christian Fürst berichtete über den aktuellen Stand der Entwicklung der Zuchtwertschätzung für Klauengesundheit. Diese ist für Dezember 2023 in der Routine für Fleckvieh und Brown Swiss zu erwarten. Im Beitrag von Dr. Astrid Köck wurde der Klauenpositionsscore als mögliches Hilfsmerkmal für die Klauengesundheit in der Zucht vorgestellt. PD Dr. Birgit Fürst-Waltl von der Universität für Bodenkultur zeigte die Ergebnisse der Studie zur Möglichkeit der direkten und indirekten Merkmale zur Zucht auf Stoffwechselstabilität. Dr. Katharina Schodl präsentierte Ergebnisse zur Nutzung von Informationen aus den Tiersensoren als Hilfsmerkmal im Stoffwechselbereich.

Forschung trifft Praxis

In der abschließend hochkarätig besetzten Diskussion mit Obmann Ing. Sebastian Auernig, Martin Huber (Österreich-Chef von DeLaval), Ing. Andreas Feichtlbauer (Geschäftsführer von Lely Österreich), Geschäftsführer Ing. Franz Wasserbauer, Dr. Christian Helfert von MSD, Michael Wurzer von GEA Österreich und Geschäftsführer von LKV Austria, DI Markus Koblmüller, wurden unter der Moderation von RINDERZUCHT AUSTRIA Geschäftsführer Martin Stegfellner die aktuell zu erwartenden technischen und auch strukturellen Entwicklungen vorgestellt und diskutiert. Die Geschwindigkeit der Digitalisierung ist für alle Landtechnikfirmen und natürlich die Landeskontrollverbände (LKV) eine große Herausforderung. Dazu kommen verschiedenste gesellschaftliche Diskussionen, die Druck auf die bäuerliche Landwirtschaft ausüben. Grundsätzlich kann man nur gemeinsam in der relativ kleinen landwirtschaftlichen „Bubble“ überleben. Eine konstruktive Zusammenarbeit aller beteiligten Verbände und Firmen ist daher unabdingbar. Durch Früherkennung etwaiger Probleme der Tiergesundheit mit Hilfe von verschiedenen Systemen und Sensoren kann zielgerichteter in Zusammenarbeit mit den Tierärzt:innen auf etwaige Probleme zeitnah reagiert oder nach erfolgten Maßnahmen kontrolliert werden, ob die ergriffenen Maßnahmen auch tatsächlich zum Erfolg geführt haben. Die Rinderbetriebe gehen seit Jahren um rund 2 % jährlich zurück, die Kuhzahlen bleiben zuletzt konstant auf hohem Niveau. Die Technisierung auf den Betrieben liegt bei ca. 20 %. Ziel soll es sein, die bestehenden Daten erst einmal bestmöglich zu nutzen und erst dann weitere Parameter in die Verarbeitung aufzunehmen. Wichtig sei auf jeden Fall, das all diese Daten in bäuerlicher Hand bleiben sollen bzw. müssen, um nicht von internationalen Konzernen in Abhängigkeit zu geraten. Ein enormes Potential sehen die Zuchtverantwortlichen auch in der Vermessung der Euter, die ja ohnedies von den AMS-Sensoren gescannt werden, sowie in der Möglichkeit, die Tiere bei jeder Melkung zu wiegen. Die Daten wären lt. Melktechnikfirmen vorhanden, müssten aber entsprechend aufbereitet und über weitere Schnittstellen für eine Nutzung verarbeitet werden. Alle Experten dieser Diskussionsrunde waren der Meinung, dass die Automatisierung sehr schnell an ihre Genzen stößt. Der Faktor Mensch wird auch in Zukunft die wichtigste Rolle beibehalten.

Obmann Sebastian Auernig bedankte sich zum Abschluss vor allem bei den Mitarbeiter:innen der Forschungsabteilung der RINDERZUCHT AUSTRIA sowie bei den Wissenschaftlern der Universitäten für die unermüdliche Arbeit im Sinne der heimischen Rinderzüchter:innen. „Es ist kaum zu glauben, wie viele Daten je Sekunde gesammelt, aufbereitet und verarbeitet werden und für uns Praktiker zur Verfügung gestellt werden. Daten brauchen Sicherheit, die Bauern brauchen das Vertrauen mit dem sicheren Umgang und einer vertraulichen Behandlung ihrer Daten, damit Zucht in bäuerlicher Hand auch gelebt wird. Dieses Vertrauen müssen wir uns tagtäglich an der Basis bei den heimischen Landwirt:innen erarbeiten bzw. auch kommunizieren. In Summe muss es wirtschaftlich, arbeitstechnisch und natürlich auch vom Tierwohl den Betrieben besser gehen. Wichtig ist es, dass jeder Landwirt/in, egal welche Größe der Betrieb hat, an dieser Weiterentwicklung teilhaben kann. Auch in der Erhebung der Phänotypen sehe ich über diese neuen technischen Systeme noch sehr viel Potential, das in Zukunft abgerufen werden muss.“

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